Teil 9 im Bestehen für sich



 

Getragen von den Wellen

Die Schöpferin läuft am Meer entlang, sie verspürt den Impuls Schwimmen zu gehen. Wie lange war sie schon nicht mehr schwimmen? Sehr lange. Schritt für Schritt geht sie ins Wasser, spürt die Kraft der Wellen, der Sog aufs offene Meer. Ist sie stark genug diesem Sog stand zu halten? Sie beschließt im seichteren Wasser zu bleiben, so dass sie frei schwimmen kann, aber noch Sand unter den Füßen spüren kann, falls die Wellen zu stark werden. Ihr Körper beginnt sich im Rhythmus der Wellen zu bewegen, sie spürt wie ihre Arme und Beine zusammenarbeiten und wie anstrengend es doch ist gegen den Wellenrhythmus quer am Strand entlang zu schwimmen, trotzdem bleibt sie dabei. Etwas in ihr wird weiter, freier und mutiger. Sie kann es und diese Erfahrung trägt dazu bei einfach weiter im Rhythmus ihre Schwimmbewegungen zu machen. Das Sinnbild dafür wird kommen. Nach 15 Minuten ist sie dann doch zu außer Atem und beschließt ihren Weg an Land fortzusetzen. Da es schön warm ist, wird sie schnell trocknen. Ihr huscht der Schöpfer durch ihr Sein. Es wird Zeit, dass sich finden. Wann das sein wird, ist schwer zu sagen und es bleibt ihr einfach nur weiterzugehen, wissen es wird irgendwann stattfinden. Wo sie alle erneut zusammenkommen. Wie sich dann ihr gemeinsamer Raum gestaltet nach dieser Allein-sein-Erfahrung zeigt sich, sie freut sich auf dieses neue Raumerschaffen.

Die Piratin läuft schon eine Zeitlang der Sonne entgegen, es dürfte Mittag sein, die Wärme ist heute deutlich mehr wie die letzten Tage und etwas Schatten wäre ganz gut. Wie konnte sie nur so lange alleine auf dem Meer segeln? Ihr wird langsam langweilig alleine. Ein verschmitztes Schmunzeln huscht über ihr Gesicht. Wie es den anderen wohl geht? Ihr fehlen die Impulse des Fährtenlesers, hm, ist es ein Fehlen oder nur ein Vermissen? Was ist er Unterschied? Gute Frage, sie hat ja lange diese Räume gemieden, wo es hätte ein Vermissen oder Fehlen werden können. Wann vermisst man etwas, wo wir doch alle als ganze Menschen gelten? Gute soziale Verbindungen sind für uns alle wichtig, allerdings kommt es auch auf die Qualität darauf an. Sind die Verbindungen erfüllend tragend, dann ist klar, dass etwas fehlt, wenn es nicht mehr in der Realität vorhanden ist, unser Körper wird dieses nicht mehr Dasein anzeigen. Wie jeder damit umgeht ist schwer zu sagen. Wie geht sie damit um? Hm, abgeschottet auf dem Meer hat sie daran kein Gedanke verschwendet, sie war ja im Survivalmodus nix wie weg. Das hat sich erst angefangen zu ändern mit den beiden Gefährtinnen. Ihr Zusammensegeln hat schon die erste Schutzschicht schmelzen lassen. Sie sind so als Gefährtinnen zusammengewachsen, dass schon etwas fehlt, wenn sie ihre eigenen Wege gehen, deshalb ist beides im Leben leben zu dürfen umso bereichernder. Gehen um Abenteuer zu erleben und Zurückkommen um erneut in der Gemeinschaft zu sein. Doch gibt es jetzt einen Unterschied zwischen Vermissen und Fehlen? Ihre Intuition gibt ihr klar zu verstehen, dass beides da sein darf in einem Leben. Und es heißt nicht, ich mache mich oder bin von einem anderen Menschen abhängig. Ich kann selbstverantwortlich und eigenständig mein Leben leben, und trotzdem fehlt eine menschliche Verbindung die gut tut, aber nicht lebbar ist oder nicht mehr in der gewohnten Form. Und was bleibt? Entweder es kommunizieren, damit  sich was verändern kann oder es akzeptieren wie es ist und dem Leben vertrauen es schenkt neue solcher Räume, dann wenn sie wirklich ganz lebbar sind und bewusst gewollt beidseitig erhalten und erschaffen werden. Das Leben kann so komplex sein, je mehr ich versuche es zu kontrollieren, umso komplexer wird es. Also was bleibt? Going with the flow. Ein Seufzer lässt die Piratin ins Jetzt zurückkommen und eine klare Erkenntnis -ihr fehlt der Raum mit ihren anderen Gefährten und vor allem dieser Nahraum mit dem Fährtenleser. Sie kann alleine ihren Weg gehen, dass weiß sie und dieses Wissen reicht, um diese anderen Nahräume ganz zuzulassen. Sie freut sich zunehmend auf das Zusammenfinden der Gruppe. Bis dahin bleibt nichts anderes als weiter, den Weg der sich vor ihr offenbart, ohne Plan, Garantien und konkretes Wissen, wann und wo. Dem Weg vertrauen und ihren intuitiven Impulsen folgen. So lässt es sich leichter weitergehen, trotz dem Vermissen der anderen Räume. Das Wissen sie kommen wieder, hilft ebenfalls weiterzugehen. Sie schaut sich um, interessant, ganz versunken in ihrem inneren Forschen ist sie wohl in einem Wald gelandet. Zeit sich schon mal für ein Nachtlager umzusehen.

Der Schöpfer hat den Palmenwald durchquert und findet sich an einem See wieder. Das Wasser ist ganz ruhig, zu ruhig für seinen Geschmack, er mag lieber etwas mehr Bewegung. Wie mit allem in seinem Leben. Er schmunzelt, ja wie mit allem in seinem Leben. Stillstand ist absolut nix für ihn. Sein Geist ist zu neugierig auf das Leben und sucht ständig nach neuem Erfahren. Allerdings bewirkt die Schöpferin etwas, was dieses äußere Bewegen angeht. Es verlagert sich zunehmend nach innen. Wie er das findet? Hm, darüber hat er noch gar nicht nachgedacht. Zeit das mal etwas näher zu betrachten. Ikarus krächzt lautstark und signalisiert er hat Hunger. Der Schöpfer schaut sich um, bleibt wohl nur auf Fischfang zu gehen. Er setzt ihn am Ufer ab, sucht sich ein Stein und versucht sein Glück im seichten Gewässer. Es fühlt sich angenehm warm und sanft an. Ruhig stehend wartet er auf die erste Gelegenheit und hofft dass es kein Angriff auf ihn selbst wird. Kaum steht er ruhig, wird es um ihn herum unruhig. Es tummeln sich einige neugierige Fische, welche Arten es sind, ist kaum zu erkennen, Hauptsache er kann Ikarus einen Fangen. Er schaut sich den Stein an, so wird das nichts und wirft ihn so weit wie möglich um das Getummel nicht zu stören. Seine Hände werden das alleine machen. Langsam beugt er sich nach vorne und konzentriert sich ganz auf sein Vorhaben. Alles um ihn herum verschwimmt zu einem ganzen Moment. Flow im Fische fangen für einen Raubvogel. Beim dritten Versuch kann er einen kleineren Fisch fangen, der muss erstmal reichen. Mit seiner Beute in den Händen übergibt er ihn an Ikarus, der beginnt sofort seine Beute zu erlegen und seinen Hunger zu stillen. Der Schöpfer setzt sich neben Ikarus und beobachtet ihn eine kurze Zeit, dann schweift sein Blick aufs Wasser. Stille Wasser sind tief, huscht ihm durch die Gedanken. Wie tief dieser See ist, ist schwer zu sagen, erst wenn er hineinspringen würde und tauchen erfährt er es. Übertragen auf das Menschsein, wie tief kann er gehen? In sich? Die Schöpferin kommt ihm in den Sinn. Sie geht sehr tief, kennt er diese Tiefen? Ansatzweise ja, doch lebt er es schon so tief wie die Schöpferin? Das ist eine gute Frage, worauf er keine Antwort hat. Das Zusammensein mit der Schöpferin hat da einiges in Bewegung gesetzt innerlich, oder lebt er es ohne es bewusst zu wissen? Hm, alles was natürlich ist, ist oft nicht bewusst. Es kann nur so sein, denn würde er es nicht schon unbewusst natürlicherweise leben, dann wäre dieser Raum mit der Schöpferin auch nicht möglich. Er wäre schon längst auf anderen Wegen unterwegs. Denn solch eine Tiefe braucht ein Wissen wie damit zu leben und umzugehen. Er wird das auf jeden Fall nochmal zur Sprache bringen mit der Schöpferin. Es wird Zeit, dass sie wieder zusammenfinden. Ihm reicht das Einzelgängersein langsam. Ihm fehlen auch seine männlichen Gefährten. Ikarus hat fertig gefressen und sieht zufrieden aus. ‚Na komm, wir gehen weiter‘, nimmt er Ikarus auf einen Arm, der dann auf seine Schulter hüpft. Zeit für ein neues Nachtlager.

Der gute Freund hat das Plateau tiefer erforscht, es führt nur ein Weg hinunter, dieser ist sehr steil und braucht seine volle Aufmerksamkeit. Unten angekommen steht er mitten in einem Urwald. Interessant, das Durchkommen ist auch hier etwas erschwert, doch entmutigen tut ihn das nicht. Er sucht sich einen stärkeren Ast auf dem Boden bevor er ihn aufnimmt, stellt er sicher es  ist nicht doch eine Schlange. Erleichtert schlägt er sich eine Schneise durchs Dickicht. Ganz konzentriert gibt es keinen Raum auf sein Inneres zu fokussieren. Diese Momente liebt er, ganz in einer Sache aufzugehen, da zu sein, einfach nur er und die Aufgabe. Er weiß nicht wie lange er durch das Dickicht gelaufen ist, bis er sich an einem See wiederfindet. Erstaunt kann er weiter vorne eine Gestalt erkennen. Ein Mensch oder eine Wunschvorstellung gespiegelt durch die Wärme? Laut loslachend über sich selbst, bleibt die Gestalt stehen und eine Stimme ruft ungläubig: ‚Guter Freund?‘ ‚Ja, Schöpfer?‘ ‚So ist es!‘, lacht der nun auch und sie kommen aufeinander zu. ‚Ach tut das so gut, endlich einen anderen Menschen zu sehen, mir wurde es langsam zu langweilig allein, wie geht es dir?‘, begrüßt der Schöpfer den guten Freund mit einer Umarmung. ‚Mir geht es gut, doch mir wurde es langsam auch zu einsam im Alleinsein, tut wirklich gut dich zu finden!‘, antwortet der gute Freund. ‚Wen hast du denn da auf der Schulter?‘, ist der gute Freund neugierig. ‚Ikarus, ich hab ihn gefunden und seitdem ist er bei mir‘, ist die Antwort des Schöpfers. ‚Hallo Ikarus, schön dich kennenzulernen‘, schaut der gute Freund den Vogel an, dieser ist unbeeindruckt, was den guten Freund nicht wundert, der Schöpfer hatte schon als kleiner Junge eine Gabe für Greifvögel, sie waren jedes Mal ganz ruhig und gelassen. ‚Lass uns ein Nachtlager suchen, wird bald dunkel‘, sagt der Schöpfer. ‚Ja gern, tut echt gut, dich hier zu finden‘, legt der gute Freund seine Hand auf die freie Schulter des Schöpfers. ‚Ja so ist das‘, meint der Schöpfer und gemeinsam suchen sie sich ein Nachtlager.

Der Fährtenleser läuft schon länger einfach nur geradeaus und landet am Meer. Hm, interessant, das Element der Piratin. Sie fehlt ihm. Wer hätte das gedacht. So schnell er zumindest nicht. Das Segeln mit den anderen beiden Gefährten hat all die Jahre gar nicht die  Frage aufkommen lassen wie das mit einer weiblichen Gefährtin sein könnte oder überhaupt das Interesse war nicht vorhanden. Wie oft heißt es, wenn ein passender Mensch kommt ändert sich vieles, was davor ein nicht erwägen war. Ist das so mit der Piratin? Irgendwie schon sie hat sein Herz erobert ohne dass sie es gewusst hatte. Er freut sich auf ihren gemeinsamen Raum, der hoffentlich bald da ist, genauso die Räume mit seinen männlichen Gefährten, nach so lange zusammensegeln und sein ist das eine echte Gegensatzerfahrung gewesen. Das Rauschen des Meeres lässt ihn ruhig werden, es kribbelt überall, Lust auf Neuland zu entdecken, nur nicht auf die gewohnte Art und Weise auf dem Meer. Er möchte den Neuraum zwischen ihm und der Piratin entdecken, intuitiv spürt er, da ist noch viel mehr drin, wie schon da ist. Er dreht sich um und kann weiter hinten sich etwas Bewegendes sehen. Ein Mensch? Einer von ihnen? Entschlossen dreht er um, und läuft auf dieses schemenhafte Abbild eines Wesens zu. Mit jedem Schritt wird deutlicher ist es in Mensch. ‚Fährtenleser?‘ ruft eine sehr bekannte Stimme. ‚Schöpferin?‘, fragt er zurück. Beide lachen laut los aus purer Freude und umarmen sich als sie näher sind. ‚Ach tut das so gut, dich zu treffen!‘, seufzt die Schöpferin. ‚Da hast du recht, langsam wurde es nicht mehr erfüllend das Alleinsein‘, ist seine Antwort darauf. ‚Komm wir suchen uns ein Nachtlager, es wird bald dunkel, dann können wir schon mal etwas austauschen‘, beschließt die Schöpferin. ‚Gern‘, bekundet der Fährtenleser sein Einverständnis.

 

Die Forscherin ist durch den Palmenwald und findet sich in einem Wald mit anderem Bewuchs wieder, diese Insel hat viele Facetten, das lässt sie innerlich Schmunzeln. Was wäre jetzt, wenn sie einen ihrer Gefährten trifft? Sie würde sich so sehr freuen. Kaum hat sie den Gedanken zu Ende gedacht, ruft auf einmal jemand ihren Namen. Sie kennt die Stimme sehr genau, dreht sich um und sieht eine auf sie zu laufende Piratin. ‚Piratin! Wie wunderschön dich zu sehen!‘, lautes befreites Lachen platzt aus ihr heraus. ‚Was ein Geschenk heute!‘, umarmt sie die nun nahseiende Piratin. Sie umarmen sich lange und ein paar Freudentränen laufen beiden die Wangen hinunter. ‚Ich kann es gar nicht in Worte fassen wie glücklich ich bin dich zu treffen!‘, ist die Forscherin sichtlich berührt. ‚Hm, das geht mir genauso, hör auf zu weinen, sonst muss ich auch noch mehr anfangen‘, neckt die Piratin die Forscherin. Diese schubst sie nur freundlich und sie gehen ihren weiteren Weg gemeinsam. ‚Es wird dunkel, wir brauchen ein Nachtlager‘, verkündet die Piratin. ‚Ja ich weiß, hast du einen Impuls?‘, fragt die Forscherin. ‚Ach wie hab ich das vermisst, diese Frage!‘, lacht die Piratin und nickt mit ihrem Kopf in eine bestimmte Richtung. ‚Na, dann los!‘, ist die verstehende Antwort der Forscherin. Sichtlich erleichtert und innerlich erfüllt laufen sie nebeneinander in Stille und genießen einfach das Dasein eines anderen menschlichen Wesens.
 
 Ich wünsche dir/euch einen schönen Tag  :)

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